2010-09-05

Die Bahn als Dienstleitungsunternehmen

Die Bilanz der Bahn weist trotz Rezession Gewinn aus. Gewinn, der wesentlich durch Sondereinnahmen aus dem Projekt Stuttgart 21 realisiert wird. Es scheint gerade so, als sei die Bahn ein großer Bauträger mit einer kleinen Transportsparte, die sich nicht so recht rentieren will. Sollte es nicht genau umgekehrt sein? Sollte nicht die Bahn versuchen, die Qualität ihres Angebots zu verbessern um dadurch die zahlende Kundschaft zu mehren?

Die Animationen des geplanten Durchgangsbahnhofs zeigen moderne Züge, die schenll und elegant ein- und ausfahren, und die Menschen, die dort ein- und aussteigen kann man an einer Hand abzählen. Bedenkt man jedoch, dass in einem vollbesetzten Zug 1000 Menschen sitzen, von denen die Hälfte an diesem wichtigen Verkehrsknotenpunkt umsteigen will, und stellt man sich am selben Bahnsteig gegenüber den Anschlusszug im gleichen Szenario vor, dann laufen dort plötzlich 1000 Menschen, viele davon mit großem Gepäck, die es alle eilig haben, auf einem schmalen Bahnsteig in alle möglichen Richtungen. Ganz zu schweigen von den Engstellen um die Treppen und den Treppen an sich. Das zeigen die Animationen ebensowenig wie die vielen Regionalzüge, die der neue Bahnhof ja auch bewältigen muss.

Die geschilderte Situation kann man in großen Durchgangsbahnhöfen wie z.B. Hamburg Hbf täglich während der Rush-Hour beobachten, wie mir auch regelmäßig meine Mitreisenden bestätigen. Dabei sind die Bahnsteige und Treppen in Hamburg komfortabel breit gebaut. Trotzdem sind die Staus auf den Fußwegen so massiv, dass deshalb regelmäßig Anschlüsse verpasst werden. Nicht nur die Alten und die in ihrer Beweglichkeit Eingeschränkten, die ja eine besondere Zielgruppe der Bahn darstellen, auch junge und sportliche Menschen regen sich darüber auf.

Ganz anders sähe hingegen der Kopfbahnhof 21 aus, wo auf beiden Seiten der Geleise ein Bahsteig ist, der auch nicht durch Treppen verengt ist. Dort können die Menschen auf beiden Seiten aus- und zusteigen, die Ströme lassen sich bequem kanalisieren. Kopfbahnhöfe sind prinzipiell viel umsteigefreundlicher und barriereärmer als Durchgangsbahnhöfe, und die Umsteigequalität ist um Klassen besser. Auch die Treppen in die Unterführung sind nur halb so hoch wie die über die Geleise, sofern man nicht gleich den ebenerdigen weg außen herum wählt. Deshalb ist es für mich unverständlich, dass die Bahn ein Konzept verfolgt, welches die Qualität für die Bahnreisenden mindert. Denn ein verpasster Zug bedeutet meistens eine Stunde Wartezeit - oft in der Kälte und im Stehen. Was ist das schon im Vergleich zu zwei Minuten länger im Warmen und im Sitzen?

Liebe Bahn, denke wieder an Deine Reisenden, denn wir sind es, deren Geld in Deinen Kassen klingelt. Mit Stuttgart 21 kannst Du vielleicht ein paar Jahre Deine Bilanzen schönen, aber dann musst Du Dein Geld wieder von uns Bahnreisenden nehmen. Sofern wir Dir nicht dank eines unbequemen Bahnhofs längst den Rücken gekehrt haben.

1 Kommentar:

  1. Durch die Kostenexplosion wird Bahnfahren so teuer, dass nur noch die abgebildeten Menschen sich die Fahrt leisten können. Ich hab mich zum Beispiel mal gefragt wie viel denn ein ICE-Ticket vom Bahnhof zum Flughafen kosten wird.

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